Blasenschule hilft gegen Bettnässen
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Blasenschule hilft gegen Bettnässen

Interview
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Medizin

An der Linzer Kinderurologie wird die sogenannte Uro-Therapie gegen den in jungen Jahren weit verbreiteten Harnverlust praktiziert. Primarius Priv.-Doz. DDr. Bernhard Haid und eine Pflegeexpertin beantworten Fragen zum sensiblen Thema Enuresis.

Von Claudio Honsal

Vinzenz magazin: Wie häufig ist Bettnässen?
Bernhard Haid: Enuresis, also Bettnässen, ist häufig und somit ein wesentliches Thema. 15 Prozent aller sechsjährigen Kinder werden öfter als dreimal pro Monat in der Nacht und auch oft tagsüber nass. Man sollte, vorausgesetzt das Kind ist mit der Windel in der Nacht zufrieden, ab dem fünften Lebensjahr darauf achten, wie sich die Trockenheit in der Nacht entwickelt, denn die Blasenreifung darf bis zum fünften Lebensjahr dauern. Vorher sollte man Kindern keinen unnötigen Druck machen.

Was sind die Ursachen?
Haid: Drei Faktoren beeinflussen das Bettnässen. Die physiologische Blasenentwicklung, die manchmal etwas hinter dem arithmetischen Durchschnitt zurückliegt und dann mit einer sogenannten Blasenmuskelüberaktivität einhergeht, besonders in der Nacht. Zudem die Schlaftiefe und nächtliche Harnproduktion. Die häufigste, nicht direkt entwicklungsbedingte Ursache für eine Überaktivität der Blase ist die Stuhlverstopfung. Durch eine gezielte Behandlung dieser funktionellen Obstipation kann man das nächtliche Bettnässen und auch Drang- und Einnässeepisoden untertags häufig gut eindämmen oder verhindern. Meistens steckt hinter Enuresis aber nichts Organisches, somit ein funktionelles Problem der Blase bzw. des Nervensystems, das die Blasenfunktion steuert. Nur eine bzw. einer von rund 500 Patient*innen leidet an einer organischen Ursache, wie zum Beispiel einer Harntraktfehlbildung. Daneben gibt es genetische. Wenn beide Elternteile mit zehn noch Bettnässer waren, wird es das Kind mit einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit ebenfalls.

Welche Rolle spielt die Psyche?
Haid: Psychische Probleme können selten Auslöser, häufig aber Folge von Bettnässen sein. Für Kinder und ihre Familien ist das nasse Bett mitunter sehr belastend. Eine Studie zeigte für Enuresis einen vergleichbaren psychischen Belastungswert wie für einen Streit oder eine Trennung der Eltern. Tagessymptomatik, die in bis zu 60 Prozent der Fälle mit nächtlicher Enuresis einhergeht, kann im Kindergarten oder der Volksschule zu belastenden Situationen beitragen.

Die Entmystifizierung unter Leidensgenoss­*innen ist wichtig.

Marion Zauner

Marion Zauner

DGKP, Uro-Therapeutin

In Ihrem Spital wurde die Blasenschule für Kinder entwickelt. Was ist das?
DGKP Marion Zauner ist für Kinder- und Jugendlichenpflege diplomierte Uro-Therapeutin: Die Blasenschule ist eine Art Hilfe zur Selbsthilfe, das Problem kindergerecht anzugehen. Enorm wichtig für Kinder und ihre Eltern ist die Erkenntnis in der Gruppentherapie, dass sie nicht alleine sind mit dem Problem. Das ist ein wesentlicher psychologischer Erfolgsfaktor. Aber die Uro-Therapie ist nur durch die effiziente Mitarbeit von Kindern und Unterstützung der Eltern erfolgreich.

Wie laufen die Schulungen ab?
Zauner: Anhand von Zeichnungen und mit Geschichten erklären wir kindgerecht und altersgemäß die richtige Genitalhygiene und das optimale Toilettenverhalten. Jedes Kind bekommt auch ein individuelles Hausaufgabenblatt mit. Das Gelernte muss in die tägliche Routine integriert werden, um zum gewünschten Erfolg zu führen. Die meisten Patient*innen kommen einige Male im Beisein ihrer Eltern zur Therapie. Sie freuen sich über Fortschritte, denn kaum ein Kind ist gerne nass. Die Gruppenschulungen finden dreimal pro Monat statt. Über einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten wird mit den Familien evaluiert, wie die Therapie läuft und ob weitere Schritte notwendig sind. Die Entmystifizierung unter Leidensgenoss*innen und im Umfeld der Betroffenen ist wichtig, bei Lehrkräften, Kindergartenpädagog*innen, Ärzt*innen, Eltern und Großeltern. Und dass die Kinder direkt in die Uro-Therapie kommen und nicht lange auf einen ambulanten Termin warten müssen.

Von Links: DGKP Theresa Haider und DGKP Marion Zauner bei der Therapiebesprechung mit dem Leiter der Kinderurologie, Primarius Bernhard Haid

Bilder: iStock, Ordensklinikum Linz

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