
Ein Netzwerk von Fotograf*innen hält Sternenkinder auf Bildern fest und hilft Eltern beim Abschiednehmen und Erinnern. Hebamme Veronika Hammer spricht über dieses sensible Thema.
Von Claudio Honsal
Veronika Hammer ist zweifache Mutter und arbeitet seit 2015 als Hebamme, seit 2019 im St. Josef Krankenhaus Wien. Seit zwei Jahren ist die 35-Jährige auch als Fotografin von sogenannten Sternenkindern tätig. Pietätvoll hält Hammer still geborene Babys auf Bildern fest, für ein würdiges Andenken. Schließlich begleitet sie als Mitglied der „Dein-Sternenkind Stiftung“ in ihrer Freizeit ehrenamtlich Familien, die ihr Kind vor, während oder kurz nach der Geburt verlieren. „Sie können sich nur von jemandem verabschieden, den sie begrüßt, gesehen und kennengelernt haben“, beschreibt die Hebamme die traurige Situation einer Fehl- oder Totgeburt.
Als Hebamme war sie bislang bei über 400 Geburten dabei, darunter auch von Sternenkindern. Als Fotografin wurde sie bisher zu 40 Einsätzen gerufen. Sie ist eine von 650 Fotograf*innen, die in Österreich, Deutschland, der Schweiz und Südtirol für betroffene Familien kostenlos für das Netzwerk „Dein-Sternenkind“ arbeiten.
Trotz der traurigen Umstände sieht Hammer immer das Positive an ihren beiden Berufungen. Obwohl sie nie mit dem Gedanken an eine Fehl- oder Totgeburt in den Dienst geht, hat sie ihre Kamera dennoch stets dabei. „Eine Fehl- oder Totgeburt zu begleiten, erfordert eine sehr gute psychische Verfassung. Wir Hebammen machen uns aus, wer das gerade gut leisten kann. Als Fotografin entscheide ich bei jedem Einsatz, ob ich ihn annehme. Doch hinter der Kamera bin ich nicht ganz so nahe am Geschehen wie als Hebamme. Sie bietet mir Schutz.“

Der kleine Junge ist in der 40. SSW im Bauch seiner Mama verstorben und wurde nur kurze Zeit später still geboren.
Der Gesetzgeber spricht erst ab einem Geburtsgewicht von 500 Gramm von einer Totgeburt. Alles darunter gilt statistisch als Fehlgeburt. Für die Eltern spielt die Grenze keine Rolle. „Es ist für sie wichtig, Bilder von ihrem Baby zu haben. Sich an die winzigen Details zu erinnern und ihr Kind auch Angehörigen zu zeigen.“
Hammers Mission ist es, Eltern und Geschwistern eine greifbare Erinnerung an das verstorbene Kind zu schenken. Ein Bild, das bleibt. Das erste und zugleich letzte Foto. „Auch wenn es fast niemand kannte, ist ein Sternenkind stets präsent und wird es immer bleiben.“ Ihr Foto soll ein Geschenk an Menschen sein und mit Empathie, Respekt und Würde Trost spenden. Es ist die professionelle Begleitung in einem Moment absoluter Sprachlosigkeit.
„Danke, dass ich dich kennenlernen durfte“, sagt Hammer zu den Sternenkindern, die sie fotografiert. Wenn sie die kleinen Engel behutsam in die Hände der Mutter legt. Oder wenn der Vater beziehungsweise die Geschwister das Sternenkind ein erstes und letztes Mal liebkosen.
Die Dein-Sternenkind Stiftung arbeitet seit ihrer Gründung im Jahr 2013 mit Krankenhäusern in ganz Österreich zusammen. „Es ist fast rund um die Uhr eine Fotografin aus dem Netzwerk einsatzbereit.“
Die Hebamme wird als Fotografin auch in andere Krankenhäuser im Großraum Wien gerufen. Nicht alle Eltern können die Fotos sofort annehmen. Manche öffnen den Umschlag erst Wochen später. Die Erfahrung hat gezeigt: Verdrängen macht krank. „Beim Betrachten der Bilder sehen die Eltern nicht nur ihr Kind, sie spüren auch ihren Schmerz und ihre Trauer über den Verlust. Doch nur wenn sie diese durchleben, können sie aus diesen Gefühlen auch wieder herausgehen“, erklärt Veronika Hammer die Wichtigkeit der speziellen Trauerarbeit. Schlussendlich seien fast alle Eltern dankbar für diese Erinnerungen an ihr Sternenkind.

Dieses Baby ist bereits in der 33. Schwangerschaftswoche (SSW) verstorben und erst nach einigen Tagen der Einleitung zur Welt gekommen.
Hammer und die Stiftung wünschen sich, dass alle Familien die Möglichkeit haben, ein professionelles Foto ihres Sternenkindes als Erinnerung zu erhalten. Um das zu ermöglichen, werden laufend ehrenamtliche Fotograf*innen gesucht, die mit Empathie, Ruhe und Respekt die besonderen Momente begleiten.
www.dein-sternenkind.eu
Headerbild: Veronika Hammer liefert mit ihrer Kamera unbezahlte und unbezahlbare Erinnerungen an ein Kind, das nicht am Leben geblieben ist.
© Alek Kawka