Ärztin in weißem Kittel
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Eine Ordensfrau ist undercover unterwegs

Medizin
Interview
Erfahrungsbericht

Schwester Dr.in Isabelle Allmendinger ist Palliativmedizinerin und Ordensfrau. Im sehr persönlichen Interview erzählt sie, wie es dazu kam und was sie von assistiertem Suizid hält.

Von Claudio Honsal

Vinzenz magazin: Warum haben Sie Medizin studiert?

Sr. Dr.in Isabelle Allmendinger: Meine Eltern waren Landärzte mit einer eigenen Ordination im Schwarzwald. Sie kümmerten sich neben den medizinischen auch um die sozialen Anliegen der Patient*innen. Das prägte wie inspirierte mich und trieb mich an. Ich erkannte, dass ich als Ärztin viel für Menschen tun kann.

Gab es ein Schlüsselerlebnis, das Sie zum Eintritt in den Orden bewog?

Schon während des Studiums bemerkte ich, dass der Glaube für mich sehr wichtig ist. Ich verbrachte immer wieder einige Wochen bei der ökumenischen Glaubensgemeinschaft Taizé in Frankreich und bei Jesuiten. Hier wurde mir meine Sehnsucht nach einer lebendigen Gemeinschaft klar, in der ich meinen Glauben leben möchte. Im ersten Jahr meiner ärztlichen Tätigkeit wurde mir bewusst, dass ich zwar beruflich wusste, was ich wollte, nun aber noch die Frage nach dem Ordensleben im Raum stand. Damals hatte ich noch ein verstaubtes Bild vom Ordensleben. Doch kündigte ich im Spital und sah mich fast ein Jahr lang intensiv um.

Der Orden der Salvatorianerinnen überzeugte Sie schließlich. Warum?

Ich lernte die Gemeinschaft in Wien kennen und stellte fest, das sind Frauen, die mitten im Leben stehen, Bodenhaftung haben und feiern können. Schwestern, die eine lebendige Gottesbeziehung pflegen und zugleich ganz nah bei den Menschen sind. Es war keine große Erleuchtung, sondern das Gefühl, dass ich hier gut leben kann und Raum für meine Sehnsucht nach Gott finde. Bei uns herrscht kein spaßbefreites, weltfremdes Leben. Wir leben Freundschaft und alle arbeiten in verschiedenen Berufen. Als Ärztin, Krankenpflegerin, Seelsorgerin, Buchautorin oder Sozialarbeiterin.

Wie sieht Ihr Alltag aus?

Wir leben in kleinen Einheiten von vier bis sieben Schwestern in kleinen WGs. Nach dem Morgengebet trennen sich unsere Wege. Manche Schwestern tragen ein Ordenskleid, andere nicht, das ist uns freigestellt. Äußerlich ist mir die Ordensfrau nicht anzusehen, ich bin sozusagen „undercover“ unterwegs. Das einzige Zeichen ist mein kleines Ordenskreuz mit den Buchstaben SDS (Societas Divini Salvatoris). Ich möchte meinen Glauben ganz bewusst in meinem Umfeld leben, ohne mich äußerlich abzugrenzen.

Warum entschieden Sie sich für die Palliativmedizin?

Sie ist ein Gebiet, in dem ich das ganze Leben im Blick haben muss und meine Patienten medizinisch, menschlich und spirituell begleiten kann. In erster Linie bin ich als Ärztin im Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern angestellt, aber oft ist unsere Tätigkeit seelsorgerlich. Viele Menschen stellen sich existenzielle Fragen, wenn sie mit schweren Krankheiten konfrontiert sind. Da ist es eine große Chance, auch im spirituellen Bereich sprachfähig zu sein. Ich möchte helfen, Ängste zu lösen und vielleicht nach etwas zu suchen, was Kraft, Halt oder Hoffnung geben kann.

Das Thema begleiteter Suizid war im Herbst medial in aller Munde. Wie denken Sie darüber?

Ich verurteile niemanden, der dies als letzten Ausweg für sich sieht. Die Frage danach drückt eine Not aus, auf die es gilt, eine Antwort zu finden. Ich selbst bin froh, dass ich in einem Krankenhaus arbeite, in dem die Haltung, dass wir dem Leben dienen, sehr klar ist. Ich fühle mich als Ärztin und Christin immer dem Leben verpflichtet. In der Palliativmedizin liegt ein großes Potenzial, Lebensqualität zu verbessern und Würde bis zuletzt zu ermöglichen. Viele, die sich für den assistierten Suizid entscheiden, wollen niemandem zur Last fallen. Wenn dies der Grund für die Entscheidung zum assistierten Suizid ist, empfinde ich das als Armutszeugnis für unsere Gesellschaft.

Vita

Schwester Dr.in Isabelle Allmendinger SDS wurde 1988 in Calw im Schwarzwald als Tochter eines Ärzt*innenehepaares geboren. Sie studierte in Homburg und Basel und promovierte in Palliativmedizin. Danach folgte ein Aufenthalt auf einer multireligiösen Palliativstation in Jerusalem und die ärztliche Ausbildung in Koblenz sowie den Krankenhäusern der Vinzenz Gruppe in Wien. Dann trat sie den Dienst als Ärztin für Allgemeinmedizin am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern in der Palliativabteilung an.

Ihre Sehnsucht nach einer lebendigen Gottesbeziehung wurde Allmendinger bereits während des Studiums bewusst. Nach einer einjährigen Sabbatzeit zur Klärung ihrer Berufung in der Zukunftswerkstatt Frankfurt trat sie 2019 der Ordensgemeinschaft der Salvatorianerinnen bei. Seither lebte sie in verschiedenen Schwestern-WGs in Wien und Linz. Neben ihrer Tätigkeit als Ärztin arbeitet sie im Ordensprojekt „IMpulsLEBEN“, bei dem sie junge Erwachsene online und in Seminaren spirituell begleitet. In ihrer Freizeit wandert sie gerne, spielt Gitarre und singt.

Headerbild: Ordensklinikum Linz

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