Dr.in Melanie Wolfers ist Theologin, Philosophin, Podcasterin, Ordensfrau und Bestsellerautorin. Die Mutmacherin spricht über den Umgang mit Krisen, Veränderungen im Leben und Neubeginn.
Von Birgit Kofler
Ihr neues Buch „Atlas der unbegangenen Wege“ beschäftigt sich mit Veränderungsprozessen. Wieso haben Sie dieses Thema gewählt?
Melanie Wolfers: Ich berate und begleite Menschen als Mentorin. Manche spüren, dass etwas vorbei ist oder dass in ihnen noch mehr steckt, als sie bislang leben. Es drängt sie, etwas zu verändern, aber sie trauen sich nicht so recht. Andere sind mitten im Umbruch und wollen den nicht einfach nur bewältigen, sondern ihn als Chance gestalten. In allem stellt sich die Frage: Wie kann ich mein Leben so führen, dass es immer mehr meines wird; stimmig und lebendig ist? Das Buch gibt eine Landkarte an die Hand für diese wichtigste Reise im Leben, für die Reise zu sich selbst.
Sie lassen eigene, persönliche, große Erfahrungen einfließen. Wie geht es Ihnen selbst mit dem Begehen unbegangener Wege?
Grundsätzlich ist es ein Riesenunterschied, ob man freiwillig neue Wege einschlägt oder ob sie einem von außen aufgezwungen sind, etwa durch eine schwere Erkrankung oder massiv veränderte Umstände. Ich kenne den Zauber des Neuanfangs genauso wie Zweifel, Unsicherheit und Scheitern. Und ich habe schon oft das dankbare Gefühl erfahren, angekommen zu sein. Nicht zuletzt sind mir die Umbruchphasen von innen her vertraut, weil ich ein Mensch bin, der sehr intensiv lebt und gern auf Neues zugeht.
Der innere Ruf nach Veränderung wird oft mit dem Neubeginn nach einer Krise gleichgesetzt. Ist das tatsächlich der Hauptgrund?
Ich würde dem nicht zustimmen. Natürlich sind Krisen ein wesentlicher Auslöser für Neuaufbrüche, aber nicht der einzige. Meiner 25-jährigen Erfahrung in der Begleitung junger Menschen zwischen 20 und 35 Jahren zufolge geht es bei Veränderung oft um die Frage, worauf es ihnen wirklich ankommt – beruflich wie auch in der Lebensweise. Neuaufbrüche haben auch viel damit zu tun, dass Menschen spüren: Da lockt mich etwas. Sicher kann eine Krise der Auslöser sein, etwa das Gefühl, ich muss weg von hier, weil ich sonst kaputtgehe. Ein anderer, ebenso wichtiger Anlass ist aber, dass mich etwas anzieht: Werte oder der Drang, die eigenen Potenziale zu verwirklichen. Oder es geht um den Übergang in eine neue Lebensphase – der Auszug von zu Hause, Eltern werden, die Kinder gehen aus dem Haus. Das sind alles Phasen, in denen man sich neu orientieren muss.
Warum taucht das Pilgern als zentrales Bild in Ihrem Buch auf?
Die Pilgermetapher ist eine wunderbare Metapher für einen Wandlungsweg. Die Etappen des Pilgerns entsprechen dem inneren Ablauf eines Entwicklungsprozesses mit drei Phasen: Aufbruch, also die Sehnsucht oder Notwendigkeit zu gehen. Dann das Unterwegssein und schließlich die Rückkehr, wenn sich ein neuer, veränderter Alltag etabliert.
Es gibt Momente, in denen wir spüren: Das Alte ist brüchig geworden. Es ist an der Zeit aufzubrechen.
Melanie Wolfers
Was sind die entscheidendsten Faktoren, damit diese Etappen gelingen können?
Das ist je nach Etappen etwas unterschiedlich. Was sich aber durchzieht, ist die Fähigkeit und Bereitschaft, regelmäßig innezuhalten, die Kunst der Selbstwahrnehmung. Was bewegt mich? Wonach sehne ich mich? Welche Ängste und Widerstände spüre ich? Die Fähigkeit, für sich selber gute Prioritäten zu setzen, die der eigenen Person und der Situation entsprechen.
Sie schreiben über innere Widerstände und „Aber-Geister“, die sich der Veränderung entgegenstellen. Was raten Sie Menschen, die spüren, dass eine Veränderung ansteht, aber vor dem ersten Schritt zurückschrecken?
Eines ist ganz wichtig zu verstehen: Wenn es nicht schwierig wird, sind wir gar nicht richtig aufgebrochen, haben die Komfortzone noch nicht verlassen. Wenn du innere Widerstände oder Aber-Geister spürst – herzlichen Glückwunsch zur Bewusstwerdung! Das ist völlig normal und gesund. Drei Dinge helfen dabei, trotzdem loszugehen: Erinnere dich an gelungene Anfänge. An damalige Ängste und was dich befähigt hat, dennoch das Wagnis des Neuen einzugehen. Zweitens: Suche dir Menschen, die dich unterstützen, aber auch den Mut zu kritischen Fragen haben. Und drittens: Mut bedeutet nicht Angstfreiheit, sondern dass du etwas wagst trotz und mit deiner Angst. Der Mut zum Aufbrechen und Durchhalten lebt von einem Ja zu etwas Größerem.
„GANZ SCHÖN MUTIG – Der Podcast für ein erfülltes Leben“ ist auf allen gängigen Podcast-Plattformen abrufbar.
Melanie Wolfers & Andreas Knapp: Atlas der unbegangenen Wege. Eine Reise zu dir selbst
März 2025, bene! Verlag, 224 Seiten
ISBN: 978-3-96340-323-1
Bilder: Ulrik Hölzl