Künstliche Intelligenz (KI) verbessert die Therapie von Patient*innen. In der Vinzenz Gruppe unterstützt sie das Personal in Krankenhäusern wie Pflegeeinrichtungen in Wien, Linz, Ried und Pitten.
Von Karin Lehner & Günter Schiester
Im Barmherzige Schwestern Krankenhaus Wien ist ein KI-System bei der Krebstherapie im Einsatz. CAS-One® IR hilft bei Navigations- und Entscheidungsfindungen für perkutane Tumorablationen. Das ist eine bildgesteuerte, minimalinvasive Behandlung, bei der interventionelle Radiologinnen* und Radiologen* spezielle Sonden direkt in den Tumor einbringen und ihn durch Hitze oder Kälte zerstören.
Das KI-System ermöglicht es dem behandelnden Team, noch mehr Patient*innen zu versorgen, mit nachweislich besserem Ergebnis. Das Foto zeigt Oberarzt Dr. Helmut Kopf, MSc, er setzte KI bereits mehrmals für Tumorbehandlungen ein. „Sie macht während des Eingriffs wichtige anatomische Strukturen sichtbar, via 2D- und 3D-Bilder. So können wir komplexe Behandlungen genauer planen, die Sonden noch zielgenauer im Tumor positionieren und die Patient*innen sicherer behandeln.“ Zum Beispiel bei Lebertumoren, die nur in der Magnetresonanztomografie (MRT) sichtbar sind. „So können wir besser beurteilen, ob das Tumorgewebe auch wirklich vollständig zerstört wurde.“
KI und interventionelle Radiologie / © BHS Wien
Drei bis vier Prozent aller Patient*innen erleiden in heimischen Kliniken pro Jahr eine nosokomiale, also im Krankenhaus erworbene Infektion. Laut offizieller Definition tritt sie ab dem dritten Tag nach der Aufnahme auf. Beispielsweise ein Harnwegsinfekt durch einen Langzeitkatheter, eine postoperative Wundinfektion, Pneumonie, Sepsis beziehungsweise Infektionserkrankungen durch Grippe-, SARS-CoV-2- oder Noroviren, erklärt Dr.in Ulrike Niedermüller, Fachärztin für Neurologie und Leiterin des Hygieneteams im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Ried (Foto unten).
Das KI-System HAIDI, im deutschsprachigen Raum hier erstmals im Einsatz, erkennt die Infektionen automatisch wie frühzeitig und senkt damit die Rate nosokomialer Infektionen deutlich. „Vor der Einführung lag sie im Schnitt bei 2,2 Prozent. Jetzt beträgt sie nur noch 0,9 Prozent.“ Doch der größte Vorteil sei der Zeitvorsprung. „Vorher erfassten wir nosokomiale Infektionen punktuell mit Zettel so erkannten wir Wellen nur zeitverzögert. Jetzt bilden wir in Echtzeit ab, mit tagesaktuellen Daten von allen Stationen“, so die Oberärztin.
HAIDI durchforstet einmal täglich alle relevanten Daten von Patient*innen, Labor- und Radiologiebefunde, Aufnahme- und Entlassungsbriefe, OP- sowie Pflegeberichte. Mittels eines Algorithmus, der sich u. a. auf Daten des ECDC (European Center for Disease Prevention and Control) und KISS (Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System) stützt, arbeitet die KI als Infektionsfeuerwehr. Sie erkennt frühzeitig Cluster und meldet Patient*innen mit Verdacht auf eine Krankenhausinfektion.
„Am Ende bewertet und entscheidet jedoch immer das Hygieneteam“, betont Niedermüller. Wird ein Cluster erkannt, können sofort gezielte Maßnahmen ergriffen werden, um eine größere Ausbreitung und damit längere, kostspielige Spitalsaufenthalte mit erhöhter Morbidität und Mortalität zu verhindern.
Infektionserkennung mit KI im Krankenhaus BHS Ried / © Rambossek
Anja Prudic (im Foto unten) arbeitet als Sozialbetreuerin im Pflegehaus Mater Salvatoris im niederösterreichischen Pitten. Parallel dazu studiert sie berufsbegleitend Aging Services Management an der FH Wiener Neustadt. Hier erforschte sie in einem Fach, welche Möglichkeiten der Chatbot ChatGPT für die Sozialbetreuung bietet. So fragte sie zum Beispiel nach Brückenwörtern zum Thema Bauernhof, nach einer Reimgeschichte zum Thema Wald in zehn Sätzen oder nach einer Gedächtnisübung in puncto Einkaufen. ChatGPT lieferte auf Knopfdruck brauchbare Ergebnisse für ihre Arbeit im Pflegehaus. Für Prudic wie die Bewohner*innen ein großer Vorteil. „KI ersetzt keinen menschlichen Kontakt, sondern spart uns bei der Vorbereitung spezieller Übungen wertvolle Zeit, die wir nun unseren Bewohner*innen schenken können.“
Frau Wunderl und Anja / © Mater Salvatoris
Die Neudiagnose Urothelkarzinom (UC) trifft in Österreich jährlich rund 1.300 Männer und 500 Frauen. Der Befund Nierenzellkarzinom (RCC) an die 900 männliche und 600 weibliche Personen. Unter Mitwirkung von Primar Priv.-Doz. Dr. Thomas Höfner, Abteilungsleiter für Urologie und Andrologie am Ordensklinikum Linz Elisabethinen, wurde weltweit erstmalig eine Möglichkeit entwickelt, wie KI in Zukunft bei Therapieentscheidungen in der Uroonkologie genutzt werden kann.
Gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam entwickelte Höfner ein KI-System zur Unterstützung interdisziplinärer Tumorkonferenzen in der Uroonkologie (Foto unten), das in Linz künftig zum Einsatz kommen könnte.
Die gemeinsam erstellte Studie wurde jüngst im renommierten „European Journal of Cancer“ veröffentlicht. Sie zeigt das Potenzial von KI, komplexe Entscheidungsprozesse in der klinischen Onkologie zu optimieren und die Qualität der Patient*innenversorgung zu verbessern. Schließlich hilft die KI den Behandler*innen bei der Auswahl evidenzbasierter Therapien für UC- und RCC-Patient*innen, blickt Höfner in die Zukunft. „Wissenschaftliche Erkenntnisse nehmen zu. Daher wird es immer zeitaufwendiger, bei vielen Patient*innen alle Parameter abzuklären. KI kann uns hier maßgeblich unterstützen. Bei gut aufbereiteten Daten kann sie eine zusätzliche Therapiemeinung abgeben.“ Sie liefert allgemeine Behandlungsempfehlungen, zum Beispiel „Operation“ oder „medikamentöse Therapie“, und spezifische, beispielsweise „Zystektomie“ (= operative Entfernung der Harnblase). Und das mit einer vielversprechenden Präzision, sogar bei seltenen Therapieoptionen. Ein Vorteil für Behandler*innen wie Patient*innen, weil KI-gestützte Empfehlungen damit erstmals transparent, nachvollziehbar und klinisch verwertbar seien. „Doch das System wird nur ein unterstützendes Werkzeug sein. Die finale Behandlungsentscheidung bleibt auch künftig in unserer Verantwortung.“ Im nächsten Schritt sind die Erweiterung des Systems auf weitere Tumorarten wie Prostatakrebs und eine prospektive Bestätigungsstudie geplant.
KI-System in der Uroonkologie / © OK Linz
Darmkrebs ist bei Frauen die zweithäufigste und bei Männern die dritthäufigste Tumorart. Im St. Josef Krankenhaus Wien ist ein Endoskopiegerät mit KI-Unterstützung zur Früherkennung im Einsatz. Damit werden bereits kleine Veränderungen identifiziert, aus denen später Darmkrebs werden könnte. Mittels spezieller Software werden damit im Rahmen der Koloskopie (Darmspiegelung) kleine oder sehr flache Polypen aufgespürt, die selbst von geübten Augen übersehen werden können. Das Lynch-Syndrom beispielsweise, eine genetisch bedingte Krebsform. Auch wenn noch nicht alle Studien bestätigen, dass KI mehr Polypen entdeckt als erfahrene Endoskopiker*innen, bewährt sie sich für Oberarzt und Internist Dr. Thomas Winkler (Headerbild, © Alek Kawka). „Die neue Endoskopie-Einheit ist ein Baustein mehr, um Darmkrebs frühzeitig erkennen zu können, natürlich immer in Zusammenarbeit mit uns.“
Raphael Bayer (am Foto unten), BScN, ist Bereichsleiter Pflege Diabetologie (Innere Medizin 2) und Palliativstation im Göttlicher Heiland Krankenhaus Wien. Seit Kurzem arbeitet er mit einem neuen Kollegen namens KARLI zusammen, einem Language-Learning-Model wie ChatGPT. „Doch unser Chatbot wird nur mit validen internen und von Expertinnen* und Experten* überprüften Fakten gefüttert. Außerdem speichert er keine sensiblen Gesundheitsdaten.“
KARLI spielt den Digitalassistenten für Angehörige von Patient*innen, die von der Palliativstation nach Hause entlassen werden, 24/7. Er braucht weder Pausen noch Nachtruhe und ist über einen QR-Code für Smartphone oder Tablet jederzeit erreichbar. Wo bekomme ich einen Leibstuhl her? Wie komme ich an ein Krankenbett? Mit Informationen aus der Entlassungsbroschüre und pflegerischer Expertise gefüttert, spuckt KARLI die Antwort in Sekundenschnelle aus. Wobei er nur die Basisarbeit macht. „Laut dem Medizinproduktegesetz darf er keine Empfehlungen für Medikamente aussprechen“, erklärt Bayer. „Und für Nicht-Digitalaffine sind wir auf der Station weiterhin die Erstanlaufstelle.“ Im Nebenjob arbeitet KARLI an der Erhöhung der Dokumentensicherheit. Als Speech-to-Text-Anwendung bringt er Diktate von Pfleger*innen über KI in die richtige Struktur und wirft Pflegeberichte als Fließtext aus. Auch eine Qualitätsverbesserung für Patient*innen, denn KARLI denkt mit und lernt jeden Tag dazu. „Er gibt Feedback und erinnert uns zum Beispiel daran, ob wir den Blutdruck auch in der Fieberkurve eingetragen haben.“
Chatbot im Göttlicher Heiland Krankenhaus Wien / © Alek Kawka