Ein Job im Gesundheitswesen ist auch für Quereinsteiger*innen nach der Lebensmitte möglich. Ein Spätberufener spricht offen darüber, wie er die neue Karrierechance genützt hat.
Von Heike Kossdorff
Als Pflegefachassistent versorgt Herbert Thaler Patient*innen aus dem chirurgischen und gynäkologischen Bereich vor und nach ihrer OP. Auf der Operativen Station 31 im St. Josef Krankenhaus Wien unterstützt er beispielsweise bei der Körperpflege und Nahrungsaufnahme, schließt Infusionen an oder nimmt Blut ab. Die Tätigkeiten absolviert er stets mit einem Lächeln. Von den Patient*innen wird er für den netten Umgang und seinen Humor geschätzt.
So professionell der gebürtige Kärntner seinen Beruf ausübt, ist es kaum vorstellbar, dass er bis Anfang 50 in einem völlig anderen Bereich tätig war. „Nach einigen Jahren des Studiums der Volkswirtschaftslehre arbeitete ich überwiegend im Verlagsbereich. Zuletzt betrieb ich zehn Jahre lang eine Internetagentur.“
Der große Einschnitt kam mit Covid-19. Plötzlich musste Thaler seine Arbeit ausschließlich im Homeoffice erledigen. „Es gab nur noch Onlinemeetings und keinen persönlichen Kontakt mehr. Das war für mich als kommunikationsorientierten Menschen besonders schwierig.“ Zu diesem Zeitpunkt war er bereits über 50 und stellte sich die Frage, ob er sich vielleicht für ein neues Berufsfeld entscheiden sollte. Er bejahte und wählte die Pflege.
„Ich interessierte mich schon immer für das Gesundheits- und Sozialwesen und bewarb mich bei der Ausbildungsstelle der Stadt Wien und beim Vinzentinum der Vinzenz Gruppe. Beide hätten mich genommen, aber das Vinzentinum war mir sympathischer“, erzählt Thaler von der Anfangsphase. Im Pflegebereich gibt es drei Ausbildungen, die Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz und Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflege.
Thaler entschied sich für die Ausbildung zum Pflegefachassistenten. Mit einer Dauer von zwei Jahren erschien sie ihm genau richtig. „Das war die goldrichtige Wahl für mich. Es war sehr erfrischend, mit Menschen unterschiedlichsten Alters und kulturellen Backgrounds noch einmal die Schulbank zu drücken und etwas Neues zu lernen.“ Das letzte Praktikum absolvierte der heute 57-Jährige auf jener Station im St. Josef Krankenhaus Wien, auf der er seit Dezember 2023 tätig ist.
Früher arbeitete Thaler in der Internetagentur, heute im Stützpunktzimmer. / © Alex Kawka
In seinem Jahrgang befanden sich viele Quereinsteiger*innen, darunter einige mit 50plus. „Ich bin dankbar, dass ich in diesem Alter die Chance bekommen habe, eine profunde zweijährige Ausbildung machen zu dürfen“, betont Thaler. Der Lernwillige freut sich über jede weitere Fortbildung. „Das entspricht meinem Charakter, denn ich lerne gern laufend dazu. Außerdem hält mich neues Wissen für meinen Berufsalltag auf der Station frisch.“
Als großen Vorteil der Pflegeberufe sieht er, dass sie gut organisiert, strukturiert und planbar sind. Und das regelmäßige Einkommen, ein willkommener Gegensatz zur vorangegangenen Selbstständigkeit. Im Alltag zählt für ihn, dass die Tätigkeiten vielfältig und fächerübergreifend sind. „Meine Arbeit ist sehr abwechslungsreich. Ich weiß in der Früh nie, was an diesem Tag auf mich zukommt.“ Jeder Tag endet anders als in seiner Vorstellung. „Das Schönste aber ist die funktionierende Teamarbeit.“
Am Vinzentinum Wien, der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege am Barmherzige Schwestern Krankenhaus Wien, gibt es Ausbildungen zum Beruf der Pflegefachassistenz und der Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflege (DGKP).
Der Ausbildungslehrgang dauert zwei Jahre und beinhaltet je rund drei Monate (530 Stunden) Praxis. Dabei werden Praktika in der Akutpflege oder Langzeitpflege absolviert.
Wer bereits Pflegeassistent*in ist, kann sich in einem einjährigen Ausbildungslehrgang zur Pflegefach-assistenz weiterbilden.
Das Bachelorstudium „Gesundheits- und Krankenpflege“ in Kooperation mit der FH Campus Wien dauert sechs Semester. Mit dem akademischen Abschluss BSc (Bachelor of Science in Health Studies) tragen Absolvent*innen eine hohe Mitverantwortung für Tätigkeiten im Bereich der Diagnostik und Therapie.
Die Ausbildungskosten können im Rahmen einer Verpflichtung von der Vinzenz Gruppe teilweise übernommen werden. Außerdem ist in vielen Fällen eine Förderung durch waff, AMS Wien und die Vinzenz Gruppe möglich.
Mehr Infos: www.vinzentinum-wien.at
Headerbild: Herbert Thaler hat gerade eine Infusion angeschlossen.
© Alek Kawka