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Mit Mikrochirurgie gegen Lymphödeme

Medizin
Reportage
Innovation

Rund 30.000 Menschen leiden in Österreich an einem Lymphödem. Es gibt zwar keine endgültige Heilung, doch in Wien eine österreichweit einzigartige Operationsmethode.

Von Claudio Honsal

Elisabeth Foltyns Leidensweg begann 2015. Sie spürte ein Ziehen im linken Bein. Dann kam es zu einer Rötung und unförmigen Schwellung. Bei längerem Gehen, der Hausarbeit und beim Sport wurden die Probleme sogar noch größer.

Erst bei einem Rehaaufenthalt wurde das sogenannte sekundäre Lymphödem diagnostiziert. Die Folge einer Operation. Die Patientin „wusste lange Zeit nicht, dass es diese Krankheit überhaupt gibt“. Sie kann auch durch Infektionen, Unfälle oder Bestrahlungen ausgelöst werden. Das primäre Lymphödem hingegen ist eine angeborene Funktionsstörung des Lymphgefäßsystems.

Prof. Priv.-Doz. Dr. Chieh-Han John Tzou, MBA ist Leiter des Departments für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie am Göttlicher Heiland Krankenhaus Wien und Experte für die chirurgische Therapie des Lymphödems. „Das ist eine chronische Erkrankung, die entsteht, wenn der Abtransport der Lymphflüssigkeit über das Lymphgefäßsystem nicht mehr gewährleistet ist. Dann kommt es zur Ansammlung von Lymphflüssigkeit in den Zellzwischenräumen.“

Vorreiter in Lymphödemchirurgie

2016 erfuhr Foltyn, dass im Göttlicher Heiland Krankenhaus Wien eine völlig neue Behandlungsmethode des Lymphödems praktiziert wird, von Tzou und seinem fünfköpfigen Team. „Sie war eine meiner ersten Patientinnen“, erinnert sich der Chirurg. Von Studienaufenthalten in Asien brachte er eine völlig neue Operationsmethode mit, etablierte sie in Wien und wurde zum Vorreiter in der Lymphödemchirurgie. „In Japan wird die chirurgische Methode seit mehr als drei Jahrzehnten erfolgreich praktiziert. Doch Kolleginnen* und Kollegen* in Europa und den USA standen ihr lange skeptisch gegenüber, weil Operationen an Gefäßen mit einem Außendurchmesser unter einem Millimeter nicht für möglich gehalten wurden.“

Doch Tzou machte sie möglich. Durch eine „supermikrochirurgische Methode, die auf eine permanente Reduktion des Ödems abzielt. Dabei wird das abflussbehindernde Lymphgefäß unter einem Mikroskop mit 50-facher Vergrößerung mikrochirurgisch an eine Vene angeschlossen“. So könne die Lymphflüssigkeit über die Vene abtransportiert werden und die Schwellung des betroffenen Bereichs abnehmen.

Operation mit großem Bildschirm

Die operierten Gefäße haben weniger als einen Millimeter Durchmesser. / © Göttlicher Heiland Krankenhaus Wien

600 Operationen seit 2016

Der Pionier führte seit 2016 rund 600 Operationen durch, davon sieben bei Foltyn. Obwohl sie weiß, dass es für die chronische Krankheit keine Heilung gibt, ist durch die Eingriffe ihre Lebensqualität deutlich gestiegen. „Ich kann wieder wandern gehen. Auch das Stiegensteigen bereitet mir keine Probleme mehr. Mein Leben ist fast wie vor Beginn der Erkrankung.“

Im Halbjahrestakt muss sie zur Kontrolle ins Krankenhaus. Auch vor weiteren Operationen habe sie keine Angst. Einziger Wermutstropfen sind die speziell angefertigten Stützstrümpfe, die sie dauerhaft tragen muss. Ein Kostenpunkt von 700 Euro pro Paar. Die Kasse übernimmt nur zwei pro Jahr.

Nach mehr als zehn Jahren Dauerbehandlung fällt Foltyns Resümee dennoch eindeutig positiv aus. „Revuebeine bekomme ich keine mehr, aber sie funktionieren wieder. Nur das zählt. Ich bin Prof. Tzou unendlich dankbar.“

Headerbild: Chirurg John Tzou und Patientin Elisabeth Foltyn ziehen positive Bilanz.
© Alek Kawka

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