Platz schaffen für freies Schlucken
zurück zur Übersicht

Platz schaffen für freies Schlucken

Medizin
Erfahrungsbericht
Reportage

Engstellen in der Speiseröhre können für massive Beschwerden sorgen. Helfen kann eine Dehnung des Muskelschlauchs, ganz ohne OP. Ein Patient und sein Arzt sprechen über diese Methode.

Von Heike Kossdorff

Reinhard K. leidet seit zehn Jahren an immer wiederkehrenden Schluckbeschwerden. „Obwohl ich sehr auf die Auswahl der Lebensmittel achte, langsam esse und gut kaue, passiert es doch immer wieder, dass mir etwas in der Speiseröhre stecken bleibt“, erzählt der 48-Jährige. Das ist nicht nur sehr unangenehm, sondern belastet auch psychisch. „Etwa bei Geschäftsessen, wenn ich Angst haben muss, dass es genau in diesem Moment passiert.“

Narben durch Reflux

Die Ursache für seine Probleme beim Schlucken ist der sogenannte Schatzki-Ring, eine ringförmige Verengung der unteren Speiseröhrenabschnitte durch Schleimhautgewebe beim Übergang in den Magen. Eine häufige Ursache für Engstellen, weiß Primar Univ.-Prof. Dr. Johannes Zacherl. Er ist Vorstand der Abteilung für Chirurgie und Leiter des Zentrums für Speiseröhren- und Magenchirurgie im St. Josef Krankenhaus Wien. „Der Schatzki-Ring ist entweder angeboren oder wird durch Säurereflux verursacht. Bei Letzterem kommt es zu einem Rückfluss der Magensäure in die Speiseröhre und damit zu Entzündungen der dortigen Schleimhaut.“ Die Folge kann eine Narbenbildung sein, die mit der Zeit hochgradige Engstellen verursacht, „sodass in manchen Fällen nur noch wenige Millimeter Öffnung übrig bleiben“. Die sogenannten Stenosen können auch durch eine allergische Entzündungsreaktion der Speiseröhre entstehen, der eosinophilen Ösophagitis. Und durch das Schlucken von Säuren oder Laugen oder als Folge einer Strahlentherapie.

Bougie

Bougie

100 Dehnungen verengter Speiseröhren werden pro Jahr an diesem Zentrum durchgeführt.

Schonende Dehnung

„Das wichtigste Symptom bei Verengungen in diesem Bereich sind Schluckbeschwerden. Sie benötigen unbedingt eine Abklärung“, betont der Chirurg. Dazu gehören ein Schluckröntgen, in jedem Fall eine Magenspiegelung und bei Bedarf therapeutische Interventionen bei Spezialist*innen wie im Speiseröhrenzentrum. Hier kann die Engstelle in der Speiseröhre gedehnt werden. Der Eingriff ist keine OP und erfolgt unter leichter Sedierung, ambulant und endoskopisch, also ohne Schnitte.

Die Dehnung kann auf zwei Arten erfolgen. „Bei der Dilatation wird ein winziger kollabierter Ballon unter endoskopischer Sicht an die Stelle eingebracht, die erweitert werden muss, und dann an dieser aufgeblasen“, erklärt Zacherl. Nach wenigen Minuten ist die Verengung erweitert und der Ballon wird wieder herausgezogen. Ist die Engstelle besonders hartnäckig, fest oder langstreckig, erfolgt die Aufdehnung mittels Bougierung. „Der Bougie ist ein spezielles Instrument, das konisch an Durchmesser zunimmt und über einen endoskopisch eingebrachten Führungsdraht durch die Engstelle durchgeschoben wird. Schrittweise werden immer breitere Bougies durch die aufzudehnende Stelle getrieben, die dann immer weiter wird.“ Beide Maßnahmen sind schonend und dauern in der Regel zehn bis 15 Minuten. Im Zentrum für Speiseröhren- und Magenchirurgie werden jährlich mehr als 100 Dehnungen durchgeführt.

Stents als Zusatzlösung

In bestimmten Fällen können für einige Wochen oder Monate zusätzlich auch Stents, also röhrenförmige Prothesen eingesetzt werden, um den Durchfluss der Nahrung zu ermöglichen. Das kann bei sehr langstreckigen Engstellen durch Säure- oder Laugenverätzungen nötig sein oder bei bösartigen Erkrankungen. „Mithilfe eines Stents können Patient*innen mit Speiseröhrenkrebs während der Chemotherapie besser schlucken“, so Zacherl. „Das ist wichtig, da diese ohnehin schon meist Substanz verloren haben.“

Wie lange die Aufdehnung wirkt, sei höchst individuell. „Das hängt von der Länge der Engstelle ab und wie viel von der Speiseröhrenwand vernarbt ist.“ Sehr hartnäckige und lange Engstellen müssen wiederholt gedehnt werden, anfangs durchaus alle drei bis vier Wochen. Danach können die Intervalle länger werden. Reinhard K. ist nicht so stark betroffen. Er hatte innerhalb von zehn Jahren kürzlich seine dritte Dehnung. Vorerst ist keine weitere geplant. Falls sie doch nötig werden sollte, ist das für ihn aber kein Problem, weil der Eingriff kurz und schmerzlos ist. „Ich bin sehr erleichtert“, betont der Patient bei der Nachuntersuchung. „Ich merke, dass die Speiseröhre jetzt viel offener ist und ich gut schlucken kann. Endlich ohne Sorgen.“

Bilder: Alek Kawka

Ähnliche Beiträge zu diesem Thema